Im Mai 2015 hatte die Stadtverordnetenversammlung einen Antrag beschlossen, den Bahnhaltepunkt Kranichstein näher an die Endschleife der Kranichsteiner Straßenbahn zu verlegen. Vorausgegangen war eine Initiative von Mitarbeitern der AKW-Projektgruppe in der IGAB sowie die Unterstützung des Projekts durch die Stadtteilrunde Kranichstein. Den Antrag in der Stadtverordnetenversammlung hatte die Fraktion Die Linke gestellt. Die Grün-schwarze Koalition ließ diesen Antrag aber erst zu, nachdem eine wesentliche Änderung eingebaut worden war: „Diese Maßnahme darf für die Wissenschaftsstadt Darmstadt nicht zu eklatanten Mehrkosten führen“.

Daraufhin stellte sich die Bahn als Baulastträger bockig, die Stadt verweigerte jegliche Mitfinanzierung und es fand sich im Grün-Schwarzen Magistrat niemand, der sich wirklich für das Projekt eingesetzt hätte. So kam es, dass die Bahn im letzten Jahr im Bereich Kranichstein umfangreiche Baumaßnahmen an den Gleisen und in der Signaltechnik durchgeführt hat, ohne dass der Bahn-Haltepunkt aus seiner abseitigen Lage befreit worden wäre.

Dabei wäre die Einrichtung des Haltes in unmittelbarer Nähe von Straßenbahn- und A-Bus-Haltestelle recht einfach: Nach dem Einbau von zwei Weichenpaaren könnten die Züge in beiden Richtungen auf dem gleichen äußeren Gleis halten, an dem ein simpler Bahnsteig zu ergänzen wäre. Der von der Bahn beschworene Bau teurer Fußgänger-Unterführungen und die Aufweitung der Personenzuggleise zwecks Einrichtung eines Mittelbahnsteigs wären damit unnötig. Die Umsteigewege würden sich für Fahrgäste der Straßenbahn von 300 auf 100 m und für Fahrgäste des A-Busses von 400 auf 150 m verkürzen. Das hätte die Attraktivität dieses Umsteigeknotens für Arheilgen und Kranichstein stark verbessert. Doch „Verkehrswende“ scheint im Grün-Schwarzen Magistrat ein klangvoller Begriff für Wahlreden zu sein. Wenn es praktisch werden muss, herrscht Stillstand.

Die Abbildung zeigt das Gleisplanschema zwischen Nordbahnhof (links) und Bahnübergang Jägertorstraße (rechts). Mit zwei Weichenpaaren und einem neuen Bahnsteig (hier rot) sowie etwas Signaltechnik ließe sich ein neuer Kranichsteiner Haltepunkt an der Linie zwischen Darmstädter Hauptbahnhof, Nordbahnhof, Dieburg und Aschaffenburg einrichten, zu dem vom A-Bus wie von der Kranichsteiner Straßenbahn auf kurzen Wegen umgestiegen werden kann.

Eine ähnliche Geschichte lässt sich auch für den Nordbahnhof erzählen: Der ist – nach dem Hauptbahnhof – der wichtigste Darmstädter Bahnhof. Für Pendler zum benachbarten Großbetrieb Merck wie für die aus der Region zusammenströmenden Schüler im nahen Berufsschulzentrum könnte er ein attraktives öffentliches Nahverkehrsangebot sein. Doch der Bahnhof verwahrlost, es gibt keinen barrierefreien Zugang (keine Fahrstühle) und auch keine Rampe für Fahrgäste, die vom Rad auf die Bahn umsteigen wollen. Nach Jahrzehnten grüner Regierungsbeteiligung und schließlich sogar -führung stehen in Kranichstein und bei Merck nun zwei traurige Mahnmale verkehrspolitischen Versagens.

Auch die Haltepunktverlegung in Kranichstein war ein Wahlprüfstein der AKW-Projektgruppe. Für die Koalition haben nur die Grünen geantwortet, die aber die Verantwortung an die Bahn abschieben: „… ist es nicht absehbar, wie dies mit den Anforderungen der DB Netz AG in Einklang zu bringen ist“. Auch Uffbasse lässt keinen Tatendrang erkennen, sondern hält nur „eine Neugestaltung oder Verlegung des Kranichsteiner Bahnhofs für begrüßenswert“. Mit Grußformeln kommt das Projekt allerdings nicht voran, ebensowenig mit jener wachsweichen Unentschiedenheit, mit der die Liste Volt auch zu diesem Punkt Stellung nimmt: „Aus unserer Sicht besteht für Reisende rein pragmatisch aktuell kein Nachteil, der zum sofortigen Handeln drängt.“

Eindeutig positioniert sich Die Linke, die in ihrem Fraktionsmitglied Werner Krone einen kundigen und hartnäckigen Kämpfer für dies und ähnliche Projekte hat. Ebenso eindeutig spricht sich die neu kandidierende WGD für die Haltepunktverlegung aus; und auch die SPD, die sich 2015 bereits mit öffentlichen Begehungen für das Projekt eingesetzt hatte.

Schade ist, dass sich keine der im Jahre 2015 an der einstimmigen (!) Beschlussfassung beteiligten Listen an diese Beschlussfassung erinnert. Man kann es den ehrenamtlich tätigen Stadtverordneten nicht ganz verdenken, wenn sie nicht all die vielen Themen immer im Blick haben. Aber das macht es einem Magistrat zu leicht, Beschlüsse einfach unter den Tisch fallen zu lassen und nicht zu erledigen. Und niemanden scheint es zu scheren, dass die Verlegung des Bahn-Haltepunkts Kranichstein auf höchster Planungsebene, nämlich im Regionalplan Südhessen, als Ziel verankert ist. Dort heißt es: „Ziele 5.1-11: Folgende weitere neue Haltepunkte sollen die vorhandenen Schienennetze ergänzen: … im Regional- und S-Bahnverkehr: … Verlegung Darmstadt-Kranichstein (RB 63)

Die AKW-Wahlprüfsteine umfassten noch weitere konkrete Probleme und Projekte in Arheilgen, Wixhausen und Kranichstein. Alle eingegangenen Antworten hierzu sind hier nachzulesen: