Zur Ausgangslage

Das Areal der Baulücke an der Frankfurter Landstraße (Reitbahn) ist Kern- und Schlüsselgrund-stück eines bis in die Neuzeit überkommenen historischen Siedlungsansatzes im Arheilger Ortskern mit Wurzeln im Mittelalter (Kirche) und zahlreichen Bauwerken aus der Barockzeit, den Haupthäusern der ehemaligen Hofreiten u. a. entlang der Darmstädter Straße. In diesem, in seiner Entwicklung beiderseits des Ruthsenbaches heute nach wie vor gut erkenn- und erlebbaren Ortskern, wurden bis in die 70 er Jahre  viele Bauten vernachlässigt. So wurde die noch in den 30er Jahren erhaltene Scheunengalerie der Gehöfte an der Darmstädter Straße weitgehend abgeräumt, die davorliegende Grünfläche der ehemaligen Almende mit dem Dorfgraben dem Bauland zugeschlagen und mit Autohandel und Autowerkstatt und zwei großen Wohnhäusern bebaut oder im Bestand provisorisch genutzt (Kunstfabrik, Schwimmbadbedarf).

Dass diese einer zunehmenden Motorisierung und schnellem Wohnungsbau folgende bauliche Nutzung eine Fehlentwicklung im Ortskern von Arheilgen war, wurde erst Ende der 70er Jahre erkannt. Die Reitbahn musste immer mehr Durchgangsverkehr verkraften und der Bereich um den Löwen wurde für die sich entwickelnde Geschäftswelt zunehmend attraktiver. Dem Leitbild der Revitalisierung alter Ortskernlagen unter Einbeziehung historischer Baustrukturen und Bausubstanzen folgend, wurde im Westen des Stadtteils die B3-Umgehung realisiert, der als Teil des historischen Erbes dieser Stadt wertgeschätzte Arheilger Ortskern als Sanierungsgebiet ausgewiesen und mit öffentlichen Mitteln gefördert. Dank des mit Geldeinsatz verbundenen großen Engagements vieler privater Bauherrschaften entstand in der Arheilger Mitte ein ansprechendes Ortsbild in dem so rasant gewachsenen Stadtteil.

Die Sanierung des Arheilger Ortskerns war sehr erfolgreich mit Ausnahme der Baulücke an der Reitbahn. Der beispielgebende Bebauungsplan A 7.1 wurde planmäßig bis einschließlich Frankfurter Straße Nr. 169 durchgeführt. Warum jedoch die Fortsetzung der Bebauung für die Grundstücke Nr. 171 bis Nr. 177 unterblieb ist rätselhaft. Mit dem Erwerb des größten Teils der Grundstücke in der Baulücke an der Frankfurter Landstraße (Reitbahn) durch die Stadt Darmstadt erwartete Arheilgen interessante Vorschläge für deren Nutzung und Bebauung. Als jedoch 2017 bekannt wurde, dass die Stadt Darmstadt ihre Grundstücke an die Firma ALDI verkaufen will, damit in der Baulücke ein Discounter gebaut werden kann, waren viele Arheilger empört. Gut Zweidrittel der Baulücke gehörten der Allgemeinheit, waren laut Bebauungsplan teilweise für öffentliche Nutzung vorgesehen (Spielplatz und Erweiterung des Straßenraumes) und sollten nun einem privatem Unternehmen zur Gewinnerzielung überlassen werden. Versuche mit Hilfe von Unterschriftenlisten das Vorgehen aufzuhalten scheiterten.

Zu den Einwendungen

Nachdem dann 2018 die konkreten Pläne von ALDI bekannt wurden und die Stadt dafür die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans betrieb, organisierte die IGAB mit Informations-veranstaltungen, Pressearbeit, Infoständen  und mit Hilfe von Arbeitskreisen eine breite Mitwirkung der Bevölkerung im Rahmen der öffentlichen Beteiligung an diesem Bauleitplanverfahren. So konnten die bei der Offenlage des Bebauungsplanentwurfes präsentierten Planungen und Fachgutachten intensiv und mit Fachkompetenz auswertet werden. Und die Ergebnisse der Überprüfung wurden in einem umfassenden Einwendungsschriftsatz dokumentiert, der Ende Januar 2020 der Verwaltung, der Öffentlichkeit und den Stadtverordneten vorgelegt wurde.

Die Überprüfung der offengelegten Unterlagen hat ein verheerendes Urteil erbracht. Das Bauleit-planverfahren ist mit vielen planungsrechtlichen Mängeln behaftet und das Projekt ist aus städtebaulicher, verkehrlicher und an Umweltbelangen orientierter Sicht rundweg abzulehnen. Zusammengefasst wurde im Wesentlichen geltend gemacht dass

  • das Vorhaben mitnichten der Verbesserung der Nahversorgung im Ortszentrum des Stadtteils dient, keineswegs eine nachhaltige städtebauliche Weiterentwicklung des Arheilger Zentrums darstellt und damit nicht erforderlich ist,
  • mit dem überdimensionierten Discounterbau den mit der Stadtteilrahmenplanung langfristig angelegten Pfad einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung im Darmstädter Norden verlassen wird
  • mit dem Verkauf städtischer Grundstücke weit vor Beginn des Bauleitplanverfahrens vollendete Tatsachen geschaffen wurden, die den Inhalt des Bebauungsplanes A 43 zur Gänze prägen und damit keinerlei Raum mehr besteht, die Belange der Bürger gerecht abzuwägen,
  • der Bebauungsplan A 7.1 und der Planfeststellungsbeschluss 45 des Regierungspräsidiums Darmstadt zur Neugestaltung der Frankfurter Landstraße am Aufstellungs- und Offenlegungsverfahren nicht teilgenommen haben,
  • eine Auseinandersetzung mit der historischen Bedeutung des Standortes als Teil des ortsgeschichtlich bedeutsamen Ortskerns fehlt und damit der Aspekt der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und des Umbaus vorhandener Ortsteile aus der Abwägung ausgeklammert wird.
  • kein anderes Grundstück im Umfeld eine derart hohe Ausnutzungsmöglichkeit hat und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme missachtet wird und dies zu einer eklatanten Ungleichbehandlung insbesondere der Grundstückseigentümer zwischen Frankfurter Landstraße und Darmstädter Straße führt,
  • ein Teil des öffentlichen Raumes ersatzlos zu Zwecken privater Gewinnerzielung wegfällt und das langfristig zu sichernde Grundvermögen der Stadtgemeinschaft unnötig geschwächt wird,
  • mit einem zweiten Discounter eine Umverteilung und Marktverdrängung erfolgt, die sich auf die Nahversorgung negativ auswirken wird,
  • die Probleme im fließenden Verkehr, mit dem Rad- und Fußverkehr, dem öffentlichen ruhenden Verkehr und dem Straßenbahnverkehr erheblich zunehmen werden,
  • Betriebs- und Verkehrslärmprobleme und negative klimatischen Auswirkungen inmitten eines dem Wohnen vorbehaltenen Gebietes verantwortlich sind für eine gravierende Milieuveränderung hin zum Mischgebiet,
  • zu viel Naturboden versiegelt wird, nichts zur Biodiversität beiträgt und ersatzlos der Bestand an öffentlichen Grünflächen im Ortskern geschmälert wird,
  • zwei kulturhistorisch bedeutende Gesamtanlagen und einzelne Kulturdenkmale wesentlich beeinträchtigt werden,
  • die Objektplanung in keiner Weise die architektonischen Anforderungen in Bezug auf den alten Ortskern und die Bedeutung des Standortes als nördliche Begrenzung des Arheilger Geschäftszentrums erfüllt, zumal Empfehlungen des Gestaltungsbeirates nicht erfüllt sind,
  • viele technische Probleme der Erschließung, Versorgung, Baustelleneinrichtung und Baustellenbetrieb völlig ungeklärt sind.

Inzwischen ist zudem klar, dass die Stadt im Interesse des Investors ein spezielles Bauleitplan-verfahren gewählt hat, um die Art der baulichen Nutzung und damit deren negativen Folgen zu verschleiern.

Zum weiteren Vorgehen

Die IGAB und ihre Arbeitsgruppen waren in den wenigen Wochen der Beteiligung der Öffentlichkeit gezwungen, sich auf die mit dem Vorhaben verbundenen negativen Auswirkungen zu konzentrieren, da nur die während der Offenlegung fristgerecht vorgebrachten Anregungen und Bedenken im weiteren Verfahren eine Rolle spielen. Im nächsten Schritt muss die Verwaltung zu den vorliegenden Einwendungen Stellung nehmen und der Stadtverordnetenversammlung und ihren zu beteiligenden Ausschüssen Vorschläge unterbreiten, wie die einzelnen Punkte zu entscheiden sind. In diesem Entscheidungsprozesses sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Diese Abwägungsentscheidungen müssen inhaltlich nachvollziehbar und begründet sein und können im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof gerichtlich überprüft und ggf. verworfen werden. Dieser ggf. notwendigen gerichtlichen Auseinandersetzung diente die umfassende Überprüfung des Bauleitplans A 43 und des Discountervorhabens.

Die bei Beachtung vorgegebener Ausschlussfristen zur Wahrung ihrer persönlichen Rechte kritische Auseinandersetzung mit dem Vorhaben bringt die Betroffenen, aber auch die engagierte Öffentlichkeit in den Verruf einer grundsätzlich destruktiven Einstellung zu den Planungen. Diesem Vorwurf sah sich die IGAB in ihrem Engagement für die betroffenen Anlieger und der erkannten rechtlichen und inhaltlichen Probleme erneut ausgesetzt. Notgedrungen konnte sich die IGAB in ihrem Anliegen, mit konstruktiven Vorschlägen alternative Lösungen aufzuzeigen, erst widmen, als das Offenlegungsverfahren abgeschlossen war. Das Ergebnis liegt nun vor und die IGAB ist stolz dass sich Stadtplaner und Architekten aus Arheilgen die Zeit genommen haben, mit Alternativvorschlägen zu beweisen, dass an dieser Stelle passend zur Ortskernsanierung eine Bebauung im Rahmen des derzeit gültigen Bebauungsplanes möglich ist.